- Thorwaldsen
d. 16ten Jan: 1843.
- Heute morgen besuchte ich Oehlenschläger und traf Thorwaldsen
bei ihm. Eine imponierende Gestalt, edle, gebietende Züge,
im Gespräch einfach, aber markig. Freundlichst lud er mich
ein, ihn in seinem Atelier zu besuchen und wiederholte die Einladung,
als er ging. Ich werde natürlich von dieser Erlaubnis Gebrauch
machen. Er hat ein Gesicht, dem gegenüber niemand Komplimente
drechseln wird. Ich bin einem großen Mann immer dankbar
dafür, wenn er nicht aussieht, als ob ihn ein Töpfer
aus Lehm gebacken hätte. Uhland - ich bin gewiß sein
Freund - sieht aus, als ob ein großer Geist, in Verlegenheit
um einen Körper und aus Angst zu spät zu kommen, eine
Schusterseele zurückgedrängt und sich durch einen Raub
vor der Geburt ins Leben hineingeschlichen hätte. Auch Thorwaldsens
Geliebte, die Baronesse Stampe, war anwesend. Die hat mir zu
viel Männliches in ihren Zügen. Später, nachdem
ich wieder mit Oehlenschl. allein war, kam der Dichter Andersen.
Eine lange, schlotterige, lemurenhaft-eingeknickte Gestalt mit
einem ausnehmend häßlichen Gesicht.
d. 20sten Jan:
- Heute morgen war ich mit Oehlenschläger bei Thorwaldsen.
Er wohnt sehr schön, in dem Schloß Charlottenburg,
wo sich die Zeichenschule befindet, in der er selbst als kleiner
Knabe das Zeichnen erlernt hat. Zwei ziemlich große Zimmer
voll interessanter Gemälde, die er mir zuerst zeigte. Aus
seinem Wohnzimmer führte eine kleine Treppe ins Atelier.
Da sah ich denn so viel, daß ich eigentlich nichts gesehen
habe. Bewunderungswürdig Ganymed und der Adler, dem er zu
trinken gibt; der Vogel blickt gravitätisch, wie ein Großvater,
der sich vom Enkel bedienen läßt, der Knabe ist von
himmlischer Schönheit. Herrliche Basreliefs. Die drei Grazien.
Ein wunderbar-lebendiger Löwe. Seine Venus. Ein Hirten-Knabe
mit einem Schäferhund. Zu viel! Zu viel! Der Alte war heute
wie ein patriarchalischer Erzvater, er trug große wollene
Strümpfe und eine Art Pudelmütze, die er abnahm und
durchaus erst dann wieder aufsetzen wollte, wenn auch wir unsre
Hüte aufsetzten. Ich werde, da er mich einlud, mir die Freiheit
nehmen, öfter zu kommen.
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